HalleProzess—
Nebenklage
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Die Nebenklage — historischer Hintergund
Die Instanz der Nebenklage ist das Ergebnis von feministischen Kämpfen der 1970er Jahre, welche sich für eine bessere Aufklärung von Gewalttaten und Vergewaltigung an Frauen vor Gericht einsetzten. Erst 1986, mit dem Ersten Opferschutzgesetz, wurde die Nebenklage endlich zu einem Institut der selbständigen Verletztenbeteiligung.
Die Nebenkläger*innen des HalleProzesses
Die 43 Nebenkläger*innen, vertreten durch 20 Anwält*innen, spiegeln im Prozess gegen den Attentäter von Halle die Bandbreite an Betroffenen wieder. Die Instanz der Nebenklage besetzt im Magdeburger Gerichtssaal folgende Positionen: die Anwält*innen der Nebenkläger*innen befinden sich an den Bänken neben und hinter der Bundesanwaltschaft, die Nebenkläger*innen und deren Begleitpersonen sitzen in einem eigenen Block im Besucher*innenbereich. Außerdem bot das Bündnis „Solidarität mit den Betroffenen—keine Bühne dem Täter“ Betroffenen zu jedem Verhandlungstag einen Ort außerhalb des Gerichtsraumes, sich laut auszusprechen.
Die folgenden Personengruppen befinden sich in der Nebenklage: Personen der jüdischen Gemeinde Halle, der Base Berlin, Gäste und Angestellte des Kiez-Döners, einzelne Polizeibeamt*innen und Passant*innen. Sie haben das Recht, aktiv in den Prozess einzugreifen, etwa durch die Lenkung von Zeugenbefragungen mit eigenen Fragestellungen, der Stellung eigener Beweisanträge oder die selbstständige Einlegung von Rechtsmitteln.
Tatsächlich haben die Nebenkläger*innen in dem Prozess gegen den Attentäter von Halle einen Großteil zur Beweisaufnahme beigetragen. Mit Fragen an die Zeug*innen wurde immer wieder auf Leerstellen der Ermittlung und der Befragung des Gerichts hingewiesen, wie zum Beispiel hinsichtlich der Ermittlung des BKA zur Vernetzung des Täters zu eventuellen Mittäter*innen durch Internet-Plattformen. Die Nebenklage lud mit eigenen Beweisanträgen fachkundigere Zeug*innen vor, die, wie beispielsweise Karolina Schwarze, am Tag der Tat auf verschiedenen rechten Imageboards die Rezeption und Distribution des Tätervideos verfolgt hat. Auch für die Anerkennung der rassistischen Motive der Tat und deren Aufnahme in die Anklage haben die Anwält*innen der Nebenklage bis zuletzt gekämpft - leider ohne Erfolg. In der Urteilsverkündung wurden diese Punkte nicht erwähnt.
Erklärung der Nebenklage — Henriette Scharnhorst und Kristin Pietrzyk
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↗ Podiumsgespräch vom Arbeitskreis kritische Jurist*innen der Uni Halle auf Radio Corax, 13.11.2020
Info
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Der Anschlag
Am 09.10.2019 verübte ein Rechtsradikaler, Antisemit, Rassist und Frauen*hasser einen Anschlag in Halle (Saale). Er filmte und kommentierte seine Tat per LiveStream im Internet und lud auch im Vorhinein ein Bekennerschreiben in einem Internet-Forum, einem sogenannten „Image-Board“, hoch. Sein Ziel war es, in der Synagoge in der Humboldt-Straße Juden und Jüdinnen zu töten, die zu diesem Zeitpunkt den höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, feierten. Als es dem schwer bewaffneten Mann nicht gelang, in die Synagoge einzudringen, tötete er die Passantin Jana Lange und suchte sich ein neues Ziel in der Nähe: den Kiez-Döner auf der Ludwig-Wucherer-Straße. Der Attentäter warf auch dort mit selbstgebauten Sprengsätzen und schoss mit zwei selbstgebauten Gewehren. Im Kiez-Döner tötete er den Gast Kevin Schwarze. Im und vor dem Imbiss, sowie auf seiner Flucht in der Magdeburger Strasse und in Landsberg-Wiedersdorf versuchte der Attentäter weitere Personen zu töten. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt und traumatisiert.
Der Gerichtsprozess
Vor dem Oberlandesgericht Naumburg fand vom 21.07.2020 bis 21.12.202 in den Räumlichkeiten des Landesgerichts Magdeburg der Prozess gegen den Attentäter statt. Die Straftat und wer diese ausgeführt hat, sind bereits vor Prozessbeginn nicht anzuzweifeln. Als Teil unseres Rechtsstaats, hatte das Gericht die Aufgabe die einzelnen Straftaten und deren Hintergründe aufzuklären und ein angemessenes Strafmaß zu verhängen. Die Vielfalt der Betroffenen dieses Anschlags war auch im Gerichtssaal sichtbar: 43 Nebenkläger*innen wurden zugelassen.
Perspektive
Der Fokus dieser Website liegt auf der Sicht der Betroffenen — auf der Tat an sich und deren gesellschaftlichen Kontext. Im Gerichtsprozess konnten die Betroffenen in Form der Nebenklage den Raum für zum Sprechen und Gehört-Werden sowie und den Verlauf aktiv mitgestalten. Auch wenn der Verfahren abgeschlossen ist, sind die strukturellen Probleme, die Nährboden für Umsetzungen von Anschlägen wie dem am 09.10.2019 bieten, nicht beseitigt. Deshalb wollen diesen Raum weiterhin zugänglich machen, die Stimmen und Anliegen der Nebenklage exemplarisch sammeln und erfahrbar machen.
Gezeigt wird hier nur ein Ausschnitt der Stimmen von Personen aus der Nebenklage. Wir stellen damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Aussagen und Anliegen, da wir diese nur aus unserem eigenen Blickwinkel widergeben können.



Sprache
• Wir teilen das Anliegen der Nebenkläger*innen, dem Täter so wenig Bühne wie möglich zu bieten. Deshalb nennen wir hier seinen Namen nie.
• Wir vermeiden den Begriff des „Opfers“, da es die Betroffenen in eine passive, machtlose Rolle einordnet.
• Wir versuchen die Handlungen so genau wie möglich zu benennen.
• Wir verwenden genderneutrale Sprache, gekennzeichnet durch das Gendersternchen*, um auch auf sprachlicher Ebene alle Geschlechter miteinzubeziehen und gleich zu behandeln.
Weiterführende Recherchen




Über Uns
Wir sind Teil der Studiengruppe Informationsdesign der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale). Im Rahmen unseres Semesterprojekts im Wintersemester 2020/21 beschäftigten wir uns mit dem Themenkomplex des Anschlags am 09.10.2019. Wir sind der Meinung, dass die Stimmen der betroffenen Personen des Anschlags wichtiger sind als die des Täters. Jedoch kann es nicht nur die Arbeit und Verantwortung der tatsächlich Betroffenen sein, die Probleme unserer Gesellschaft, die aus der größeren Dimension des Attentats ersichtlich sind, anzuprangern. Jede*r muss sich damit konfrontieren und Schlüsse daraus ziehen.
Jasmin Zehe, Felix Egle, Tessa Darimont

Mehr Arbeiten aus unserer Studiengruppe:
Website ↗truth.design.de
Instagram ↗studiengruppe

Bei Fragen oder Anmerkungen meldet euch gerne: ↗si@burg-halle.de

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Stand: 01.02.2021